Soltau, Niedersachsen. Die Innenstadt schläft, die Geschäfte sind geschlossen – dabei ist Samstag und die Sonne scheint. Der blaue Himmel über uns. Vorhin war Markt, jetzt fährt eine Kehrmaschine herum und reinigt die Fußgängerzone und leckt die Zigarettenstummel vom Asphalt. Vor dem Brillenladen steht ein altes Fahrrad mit Korb auf dem Gepäckträger. Im Korb liegt eine nackte Puppe, der ein Auge fehlt. Harte Zeiten.
Eine Imbissbude hat noch auf. Da sitzen alte Menschen, rauchen und trinken Fanta aus der Flasche. Ohne Strohhalm.
Im Springbrunnen springt ein Mädchen herum. Sie trägt ein rotes Kleid. Der Stoff ist klitschnass. Schuhe hat es keine an, auch keine Socken. Es hat eine Plastikwanne in der Hand und füllt sie mit Wasser. Dann schleudert das Mädchen das kalte Nass in eine Gruppe Jugendliche, die aufschreien, kreischen, lachen.
«Spinnst du?!»
Das kleine Mädchen lacht diabolisch.
Auch eine ältere Frau hat ein paar Wassertropfen abbekommen – und sie rastet völlig aus, steht kurz auf, setzt sich wieder hin. Mehr vermag sie nicht zu unternehmen.
Auf der Bank neben dem Brunnen sitzt ein dünner Mann. Er isst ein Eis, zwei Kugeln Vanille in der Waffel. Er leckt und schleckt. Sein Hund, ein Golden Retriever namens Leopold, hat ein eigenes Eis in der Schnauze. Auch in der Waffel, auch zwei Kugeln Vanille. Die verspeist Leopold schmatzend und zerbeißt die Waffel.
Leopold ist glücklich.
«Wo sind denn deine Eltern?», fragt das pummelige Mädchen, das am meisten Wasser abbekommen hat.
Das nasse Mädchen hat Angst, dass man seine Brustwarzen sehen kann. Das nasse T-Shirt liegt eng an. Das Mädchen legt seinen Arm auf die Brüste, als Schutz. Das kleine Mädchen im Brunnen grinst ihr teuflisches Grinsen. Ihre Eltern seien tot, sagt es.
Dann füllt es die Wanne wieder auf.